Dienstag, 23. November 2010

Kunstgeschichte-Referat oder "warum zum Henker so kompliziert?"

Heute hatte ich mein erstes Referat in Kunstgeschichte, das Thema meiner Gruppe war Ikonologie und Ikonografie - Beschreibung, Interpretation und Klassifizierung eines Kunstwerkes anhand der abgebildeten Figuren. Klingt vielleicht einfach, ist es aber nicht. Zumindest hab ich den Text, auf dem wir unser Referat aufgebaut haben, nur zur Hälfte verstanden - die andere Hälfte waren bis dato nie gehörte Fremdwörter und wissenschaftliche Fachausdrücke. Yieks! Jedenfalls konnten meine Gruppe und ich uns darauf einigen, dass ich nur die Biografie des Autors vorstelle und die Präsentation und das Handout erstelle. Puh. Trotzdem hing mir der heutige Tag wie ein Damokles-Schwert über dem Kopf, zumindest in meiner Vorstellung. Aber alles heil überstanden. Noch.

Nach dem Referat heute und einiger Recherche hege ich die Vermutung, dass ich doch im groben und ganzen weiß, worum's geht bei Ikonografie und Ikonologie, nämlich: Was sieht man, welche Figuren sieht man, was haben sie bei sich? Dann zieht man literarische Quellen zu Rate und schaut nach passenden Hinweisen, um die Figuren identifizieren zu können. So wird wohl jeder einen Mann und eine Frau mit einer Schlange und einem Apfel auf dem Bild als Adam und Eva identifizieren können, zwei Figuren aus der Schöpfungsgeschichte der Bibel. Anschließend zieht man sich die Typen- und Stilgeschichte als Hilfsmittel heran, guckt, wie zu der Zeit, in der das Kunstwerk erschaffen wurde, das abgebildete Thema dargestellt wurde, ob was von der Regel abweicht. Etc. Auf diese Art und Weise kann man auch überprüfen, ob ein Kunstwerk echt ist, oder zu welcher Zeit es ungefähr erschaffen wurde.

Um mal das Beispiel von einer aus meiner Gruppe zu nehmen:
© http://www.arteantica.eu 
Bei dem Bild links (Girolamo Romanino: Salome mit dem Kopf Johannes des Täufers, Öl auf Pappelholz, Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin) sieht man eine Frau mit einem Kopf auf einem Tablett. Schaut man in die Bibel, stößt man auf die Geschichte der schönen Tänzerin Salome, die vom Herrscher Herodes den Kopf von Johannes dem Täufers fordert.
© http://www.rochester.eu
Beim Bild rechts (Francesco Maffei, Judith mit dem Haupt des Holofernes, um 1650, Ölf auf Leinwand, Faenza, Pinacoteca Comunale) sieht man ebenfalls eine Frau mit einem abgeschlagenen Kopf, allerdings in einer Schüssel, und sie hat ein Schwert bei sich. Schaut man wieder in die Bibel, gibt es auch dazu eine Geschichte - die der Judith, die Holofernes eigenhändig den Kopf abschlägt und in einen Sack steckt.

Woher wissen wir, dass die abgebildeten Frauen zwei verschiedene Personen sind, wenn sie doch beide einen abgeschlagenen Kopf auf einem Tablett/Schüssel tragen, wenn wir die Titel der Gemälde außer Acht lassen? In der Bibel im Buch Judith, Kapitel 13, liest man von einer Frau (Judith), die einem Mann zur Rettung ihrer Stadt den Kopf abschlägt - mit einem Schwert. Im Buch Markus, Kapitel 6, liest man dagegen von einer Frau, (Salome) deren Tanz dem Herrscher so sehr gefallen hat, dass er ihr einen Wunsch gewährt, und sie wünscht sich den Kopf Johannes' des Täufers, der ihr auf einem silbernen Tablett dargeboten wird. Judith hat also ein Schwert, Salome nicht. Diese Gegenstände, mit denen man Personen auf Gemälden identifizieren kann, nennt man Attribute. Das Schwert ist also das Attribut von Judith, das Tablett das von Salome.
Nun hat Judith auf dem Gemälde aber eine Schüssel, obwohl diese in der biblischen Geschichte gar nicht vorkommt - sie steckt den Kopf ja in einen Sack. Die Schüssel bzw. das Tablett ist ja das Attribut von Salome, diese wird aber nie mit einem Schwert dagestellt. Also muss es sich bei dieser Frau um Judith handeln. Wenn man noch ein wenig genauer in die Stil- und Typengeschichte schaut, wird man erfahren, in welcher Epoche Judith oft mit einer Schüssel dargestellt wurde; ergo, wurde dieses Gemälde irgendwann zu dieser Zeit gemalt (wie ihr vielleicht hier zwischen den Zeilen erraten könnt, weiß ich leider gerade nicht, welche kunstgeschichtliche Epoche das war. Sorry, Erstsemester-Bonus).

So, zuviel zu Ikonografie und Ikonologie. Mein Problem an der ganzen Sache ist, dass ich das alles oben (wer, wie, was, wo und wann) automatisch mache, wenn ich ein Gemälde betrachte; daher habe ich ein Problem damit, wenn das theoretisch und in komplizierter Fachsprache erklärt wird. Es ist genauso wie mit der Psychologie - unterbewusst weiß und macht man schon vieles, aber sobald man sich damit theoretisch auseinandersetzen muss...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen